in Schlagworten

Die folgende Gegenüberstellung versucht zu verdeutlichen, was das Wesentliche unserer lebwendigen Visiana Wir-Gruppen ist.

einfühlsam zuhören statt bewerten und bereits bei meinen Erfahrungen und Ratschlägen sein

Wir sind es in unserer Kultur gewöhnt, während unser Gegenüber noch spricht, schon eine Antwort zu formulieren. Auch sind wir es gewöhnt, das Gesagte mit unserem Verstand sofort einzuordnen.
Für eine annehmende Haltung ist es wahrscheinlich jedoch notwendig, dass ich nur mit dem Herzen zuhöre. Wenn ich auch in der Sache widersprechen will, mit den dahinter liegenden Gefühlen und Bedürfnissen kann ich mich stets verbinden, da diese allen Menschen gemeinsam sind.
Für uns braucht es eine Sehnsucht nach dieser anderen Art des miteinander Sprechens, um uns immer wieder in dieser ungewohnten Art des Zuhörens üben zu wollen.

achtsam und freilassend statt zustimmen oder widersprechen

Wie schon in der ersten Gegenüberstellung geht es darum, dem anderen bewertungsfrei zuzuhören, damit sich dieser angenommen fühlt und sich traut sich mit seiner ganzen Einzigartigkeit zu zeigen. Lob und Zustimmungen erscheinen auf den ersten Blick hilfreich fürs Öffnen, doch verführen sie das Gegenüber dazu sich von der Schokoladenseite zu zeigen, damit die positive Zuwendung nicht aufhört und er keine Ablehnung erfährt. Diese Anpassung geschieht meist unbewusst.
Wir versuchen diese Gewohnheit aufzulösen, indem wir uns bemühen, den anderen nicht zu kommentieren. Alles Bemühen erfolgt freiwillig und aus Freude. Es gibt keine Verpflichtung sich darin zu üben.

Andersartigkeit willkommen heißen statt kommentieren

Ungewöhnlichem begegnen wir gewohnheitsmäßig mit einem Lachen oder einem Kommentar, der das Ungewohnte in den Mittelpunkt stellt. Den meisten ist diese Herausstellung unangenehm und sie werden versuchen, dies in Zukunft zu vermeiden.
Die Achtsamkeit hilft uns anders auf Besonderheiten zu reagieren. Entweder wir fragen offen und neugierig nach oder wir heißen die Andersartigkeit stillschweigend als Normal willkommen. (Als Normal, weil in der Natur die Vielgestaltigkeit die Regel ist. Und wir bei Visiana auch die Vielfalt leben wollen. In unserer Kultur werden wir hingegen zur Konformität erzogen. Die Medien vermitteln, was „in“ und was „out“ ist.)
Durch diese ungewohnte Haltung entsteht allmählich eine Atmosphäre, wo wir uns trauen, auch die Seiten an uns zu zeigen, die wir sonst lieber verstecken. Dazu zählt auch ein beherztes spontanes Lachen mit den anderen statt über einen einzelnen. (Bitte auch keine Selbstironie, denn sie geht auf Kosten von mir selbst.)

entschleunigt statt lebhafte Dialoge

Wir haben keineswegs etwas gegen Lebendigkeit! Und wir haben in unserem Zuhörkreis erlebt, dass lebhafte Dialoge uns vermehrt in den Kopf bringen und dabei die Gefahr besteht, dass wir den emotionalen Kontakt zu uns selbst und den anderen verlieren.
Entschleunigung im Gespräch, die wir durch spezielle Methoden erreichen, oder Interaktionen, die mit wenig Worten aus kommen, helfen uns, spürend bei unseren Gefühlen, Körperempfindungen und Bedürfnissen zu bleiben.

spürend im Hier&Jetzt sein statt kognitiv bei Vergangenem oder Zukünftigem

Unser Verstand ist es gewohnt sich mit der Vergangenheit oder der Zukunft zu beschäftigen. Er flieht ständig aus dem Hier&Jetzt, das ist seine Natur.
Unser Verstand ist allerdings nur ein kleiner Teil von uns. (Damit widersprechen wir dem berühmten Zitat „Ich denke, also bin ich.“) Und das Leben findet immer nur im Hier&Jetzt statt. Alles andere ist Fiktion und geschieht nur in unserem Kopf.
Um in einen lebendigen Kontakt miteinander zu kommen und ganz wir selbst zu sein, ist es jedoch notwendig, dass wir insbesondere unsere Gefühle und Körperempfindungen einbeziehen und unseren Gedanken weniger Aufmerksamkeit schenken. Deshalb singen, tanzen, spielen wir gerne oder nutzen andere Körper- oder Wahrnehmungsübungen, um aus dem Kopf in unseren Körper und bei unseren Gefühlen anzukommen.

persönlich (von mir) sprechen statt Sach- oder Du-bezogen

Wenn wir uns auf der Sachebene über dies und das austauschen, wird dies wahrscheinlich unser Wissen mehren, doch für eine tiefe Verbindung braucht es die Gefühlsebene. Sobald ich nicht ausschließlich über meine Empfindungen, meine Wahrheiten und meine Bedürfnisse spreche, kann bei meinem Gegenüber zudem Widerstand entstehen, der uns trennt.
Deshalb versuche ich stets nur von mir selbst zu sprechen. Sogar ein Feedback kann ich rein ich-bezogen gestalten, indem ich statt „Du bist …“ oder auch „Ich erlebe Dich als …“, ausschließlich beschreibe, wie es mir mit dem So-Sein des anderen ergeht, z.B. „Die Auszeit, die Du Dir genommen hast, hat mich zunächst irritiert, da mir Gemeinschaft sehr wichtig ist. Dann war ich froh, dass Du dies gewagt hast. Jetzt spiele ich mit dem Gedanken, dies für mich auch mal auszuprobieren. Danke für diesen Impuls.“

mich zeigen/zumuten statt Gruppen konform

Weil die meisten Menschen sich danach sehnen dazu zu gehören und gemocht zu sein, neigen wir dazu zu Gunsten dessen unsere eventuell für andere schwierigen oder zumindest auffälligen Anteile zu verstecken.
In unseren Gruppen versuchen wir einen Schutzraum mittels bestimmter Strukturelemente zu schaffen, wo Du ausprobieren kannst, wie es Dir geht, wenn Du auf diese gewohnten Sicherheitsmaßnahmen verzichtest und Dich stattdessen ganz authentisch zeigst. Unser verbindenden Methoden und auch die Entschleunigung helfen uns dabei, dass trotz dieses Gruppen unkonformen Verhaltens meist am Ende doch Einfühlung und tiefe Verbindung entsteht. Wir forcieren dabei nichts, d.h. Du wirst nicht animiert alle Deine Gefühle auszudrücken.

erfahren, was ich im anderen auslöse statt Harmonie & Schutz

Auch in unserer Gruppe kommt es vor, dass die Worte oder Taten des einen – ungewollt – unangenehme Gefühle im anderen auslösen. Auch wenn die Ursache für die Gefühle im Zuhörer selbst liegen (Verletzungen aus der Vergangenheit), erwarten wir nicht, dass dieser sein Problem in sich oder mit sich löst, sondern laden hingegen ihn dazu ein, sich damit mitzuteilen – ich-bezogen und verletzlich. Das kann wiederum sehr unangenehm für den Sprecher sein, weil er vielleicht zu oft erlebt, dass wenn er sich in dieser Weise zeigt, immer wieder andere davon getriggert werden. Wir bieten als Lösung an, dass beide sich wechselseitig mit ihren ausgelösten Gefühlen mitteilen dürfen in einfühlsamer Unterstützung der „Unbeteiligten“ (vgl. Methode „Einfühlsame Klarheit“). Manche anderen Gruppe versuchen das „Wie geht es mir gerade mit Dir“ zu Gunsten des Gemeinschaftsgefühls und des Schutzes möglichst außen vor zu lassen. Oder sie erinnern nicht daran, eine reine ich-bezogene Sprechweise zu nutzen, sondern lassen es ganz offen, wie sich jeder ausdrückt.

auf Augenhöhe statt wissende Leitung

Wir begegnen uns stets auf Augenhöhe, d.h. jeder kann mal Begleiter/in bzw. Anleiter/in sein und jeder kann nur für sich herausfinden, was er gerade braucht und was ihm hilft. Die Gruppe ist trotzdem nicht ohne Leitung. Alle sind Leiter/in und schauen, dass die Idee der Gruppe erhalten bleibt.
Nachteil: Damit kannst Du Dich nicht in der Teilnehmerrolle „verstecken“. Zur Vereinfachung gibt es allerdings zusätzlich meist einen Hauptanleiter/in, der/die für Orientierung und Sicherheit sorgt. Somit musst Du auch nicht unbedingt aktiv werden, wenn es sich für Dich nicht stimmig anfühlt. Je nach Gruppenart kann irgendwann auch ganz auf Anleitung verzichtet werden, da die Gruppe einen für sie stimmigen Standardablauf gefunden hat, der keine Erklärungen mehr braucht.

Methodenvielfalt statt geläufige Umgangsformen

Oft wird auf Moderationsmethoden verzichtet, weil sie als unnötig, ungewohnt oder sogar störend zwanghaft erlebt werden. Jeder könne doch für sich sorgen, dass er zu Wort kommt und Vielredner müsse man dann eben mal stoppen. Während in diesem Punkt die Selbstverantwortung und Freiheit groß geschrieben wird, bestehen dieselben Menschen in anderen Punkten auf bestimmte (meist als allgemein gültig erklärte) Regeln, wie Pünktlichkeit oder Abmeldung bei Nichterscheinen.
Wir hingegen nutzen bewusst ungewohnte Strukturelemente (z.B. einen Redestab), da wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir ohne ungewohnte Methoden im gewohnten Miteinander stecken bleiben. Dabei halten wir uns nicht rigide an die neuen Elemente. Alles sind reine Empfehlungen, Du bist frei sie nicht anzuwenden oder sie zur Diskussion zu stellen.

absichtslos statt effizient, strebend und harmonisch

Es gibt kein Falsch und Richtig, kein Ziel, keine angestrebte Entwicklung, kein Muss, keine Absicht, kein festes Lebenskonzept. Es gibt keine allgemeinen Regeln, nur Empfehlungen und Strukturelemente (und z.T. wenige Schutzregeln) für unser Miteinander. Diese Absichtslosigkeit ist notwendig, damit sich jeder wirklich eingeladen und angenommen fühlt mit allem, was in ihm lebendig ist, ganz da zu sein.
Effizienz, das Streben nach Harmonie o.ä. würden zwar mehr Sicherheit über den Verlauf des Abends geben, allerdings wären wir dann nicht mehr ganz freigelassen in unserem Selbstausdruck. Und wir möchten in unseren lebwendigen Gruppen lernen, ganz bei uns zu bleiben ohne dabei die einfühlsame Verbindung zu den anderen zu verlieren.
Auch beim Tun bleiben wir rein prozessorientiert. Ein Ziel (z.B. ein kleiner Auftritt) steigert für viele Menschen die Motivation sich anzustrengen. Für uns geht dabei die Freude verloren, weil wir Leistungsanspruch und Vergleiche als störend erlebt. Wir möchten stets nur aus der Freude im Augenblick agieren. Dabei darfst dann ruhig auch mal anstrengend werden.

als Geschenk statt kommerzielles Interesse

Alle Wir-Gruppen bieten wir als Geschenk an Dich an, d.h. im Idealfall völlig gebührenfrei und auf jeden Fall werbefrei. Es fällt höchstens eine Umlage der Raummiete an. (Und selbst diese konnten wir bisher durch gebührenfrei nutzbare Räume vermeiden.)
Die Leitung nimmt kein Honorar für ihre Tätigkeit, weil sie das Ideal der ungewohnten „Geschenk-Ökonomie“ leben will. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass das Vertrauen in uns wächst, dass – wenn unsere Grundbedürfnisse gedeckt sind – wir von Herzen gerne uns gegenseitig beschenken wollen. Und bei keinem der Gedanke mitschwingt: „Letztlich denken die auch (nur) an ihren eigenen Vorteil!“
Für skeptische Menschen, wie mich (Andreas), die schon zu oft in Initiativen erkennen mussten, dass die Angebote doch nicht so selbstlos sind, wie sie scheinen und letztlich zumindest als Werbung für ihre kostenpflichtigen Angebote gedacht sind, ist die Gegenleistungsfreiheit sehr wichtig, um Vertrauen in diese andere Art des Miteinanders zu gewinnen. Gleichzeitig ist es auch eine Einladung an Dich, frei zu verschenken, was Dich lebendig werden lässt.
Ganz ohne Eigennutz sind unsere Gruppen nicht (alles was wir tun, zielt auf Bedürfnisbefriedigung hin): Wir bringen damit aktiv das Miteinander in unser Umfeld, was wir uns so sehnlich wünschen.

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