Persönliche Eindrücke

Im einfühlsamen Zuhörkreis wollen wir aussteigen aus den gewohnten Gesprächsmustern und das ist zeitweise auch herausfordernd. Nach meiner (Andreas) Erfahrung braucht es deshalb zwar keine Vorkenntnisse oder besondere Erfahrungen, jedoch mehr als die Bereitschaft und Offenheit für ein anderes Miteinandern. Eine tiefe Sehnsucht nach diesem noch ungewohnten Umgang miteinander erscheint mir notwendig. Was für uns dieses Miteinander ausmacht, da hat jeder von uns einen anderen Schwerpunkt, den Du in den folgenden persönlichen Erzählungen erfahren kannst.

von Yvonne K. (pausierende Teilnehmerin)

Frei aussprechen, was mich gerade beschäftigt, so wirklich beschäftigt, meine ich, das kann ich am besten in unserer Gruppe – vorausgesetzt ich überwinde meine Scheu und die Gedanken, dass es die anderen gar nicht interessieren könnte. Was mich wirklich beschäftigt, das sind oft die kleinen, alltäglichen Dinge, beispielsweise wenn ich bemerke, dass meine Freunde sich auf eine Geburtstagsfeier freuen, ich selber jedoch bei mir nur Angst davor spüre. (Dort auf so viele Menschen zu treffen, den Situationen und Gesprächen nicht gewachsen zu sein, mich zu blamieren …) Wenn ich mich traue von meiner Angst zu sprechen, dann fühle ich mich allein mit Antworten wie: „Ach, das wird doch nicht so schlimm, da brauchst Du keine Angst zu haben!“ Verbindung spüre ich dann, wenn jemand mir zuhört, mir durch seine Blicke zeigt „Ich habe Dich gehört“ und dann vielleicht mitteilt, was das Gehörte in ihm/ihr selbst auslöst – oder auch das er/sie gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt ist und mir deshalb kaum zuhören konnte.

von Stefan (ehemalige Teilnehmer)

Ich empfinde die Form des Zuhörkreises als sehr befreiend und entspannend. Die Form des Zusammenkommens, die schnelle Vertrautheit mit den Menschen und das Vertrauen in die Struktur des Abends geben mir die Freiheit, etwas zu sagen, was durch das Aussprechen mehr Leichtigkeit und Bewusstheit für mich ergibt. Dabei schätze ich vor allem den Umstand, mich nicht rechtfertigen zu müssen, es nicht erklären zu müssen. Es gibt keine Rückfragen, keine Bewertung und keine Ratschläge, ich kann einfach sein mit etwas, was mich gerade beschäftigt. Und bin nicht gewappnet, muss mich nicht vorbereiten und bin nicht damit verhaftet, sondern kann es raus-lassen. Und so auch den Gedanken und Gefühlen der anderen folgen, ohne mich dabei zu verlieren. Ich kann bei mir bleiben, ohne das mich etwas überflutet. Und ohne selber den Eindruck zu haben, etwas wird von mir erwartet. So empfinde ich die wohldosiert begrenzte Zeit als sehr wertvoll und bereichernd für mich.

[Anmerkung: Die Anfahrt aus Köln war ihm auf die Dauer zu anstrengend.]

von Carmen (ehemalige Teilnehmerin)

Ich war leicht geschockt, dass Andreas einem Teilnehmer, nicht mehr im Zuhörkreis haben wollte, der sich dazu entschlossen hatte, sich auf seine angenehme Gefühle zu konzentrieren und Kraft, Freude & Mut in sich zu mehren. Weil das für ihn so viel hilfreicher erschien, als sich für Angst, Schmerz und Trauer zu öffnen, hat er in die Gruppe gefragt, ob wir nicht alle uns mehr auf unsere Kraft & Freude ausrichten wollen. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Andreas verstand ich seine Angst, dass diese Grundhaltung ansteckend wirken könnte und sich am Ende alle mit ihren unangenehmen Gefühlen lieber zurückhalten wollen würden. Dennoch bin ich ein Mensch, der möglichst für alle Menschen offen sein will und darauf vertrauen, dass sie sich irgendwann schon auch für ihre unangenehmen Gefühle öffnen. Und ich sah für mich persönlich auch kein Problem darin, wenn er sich niemals dafür öffnen würde. So merkte ich bald, dass mir diese Offenheit so wichtig ist, dass ich nicht mehr am Zuhörkreis teilnehmen will, obwohl ich ihn als ideale Umgebung für mich empfand, um mich im empathischen Zuhören, Entschleunigung und Achtsamkeit zu üben.

von Micha (Co-Moderator des Offenen Zuhörkreises)

Es war ein sehr wertvolles Erlebnis für mich. Ich habe mich in dem Zuhörkreis sehr wohl und sehr geborgen gefühlt. Ich fühlte mich durch Andreas‘ achtsame Moderation vor allem ermutigt, Dinge auszusprechen, bei denen es mir sehr schwer gefallen ist, sie auszusprechen. In meinem Kopf war nämlich eine starke Stimme, die mir sagte, es wäre peinlich, so etwas Intimes hier auszusprechen.

Als ich es dann jedoch ausgesprochen hatte, habe ich mich sehr willkommen gefühlt damit.  Es tat mir gut, dass Andreas nochmal extra gesagt hat: „Herzlich willkommen damit, Micha.“
Das Aussprechen meines sehr persönlichen Themas hat mich auch direkt spürbar erleichtert und mir geholfen, mein Problem mit mehr Abstand zu sehen. Die „graue Nebel-Regenwolke über meinem Kopf“ wurde dadurch deutlich leichter und sonniger.

Wichtig ist mir noch zu erwähnen, dass ich den Zuhörkreis nicht nur als Teilnehmer, sondern auch als interessierter Kollege besucht habe. Ich habe schon als Teilnehmer wie auch als Anleiter an vielen anderen emotionalen Austausch-Kreisen wie GfK-Gruppen, Council-Gruppen, EA-Gruppen mitgewirkt. Zudem lebe ich in der Lebensgemeinschaft „Ein neues Wir“, in der wir oft Redekreise machen. Ich bin solche Kreise also gewöhnt. Gerade deshalb will ich diese besondere Qualität von Achtsamkeit hervorheben, die ich beim „Einfühlsamen Zuhörkreis“ wahrgenommen habe. Sie hat mir selbst und offensichtlich auch den anderen Beteiligten sehr gut getan.

Was mir noch sehr gut getan hat, war die Mischung aus verschiedenen belebenden Elementen. Am Anfang hatte ich die Möglichkeit, bei angeleiteten Körper-Wahrnehmungs-Übungen bei mir und meinem Körper anzukommen. Danach haben wir Lieder gesungen, die mich im Herz berührt haben.

Auch die Art, wie Andreas den Zuhörkreis eingeleitet hat und wie wichtig es ihm war, dass sich hier jeder frei fühlen kann, und dass keiner etwas tun muss, was sich nicht stimmig anfühlt, hat mir Sicherheit gegeben, mich frei fühlen zu können. Hilfreich fand ich auch die Anregungen, mich von bestimmten Hinweisen oder Empfehlungen inspirieren zu lassen, die auf A5-Blättern in der Mitte lagen.  Es waren Hinweise wie: von mir selbst sprechen, mit dem Herzen zuhören ohne zu bewerten usw. Am Anfang dachte ich zwar, diese Hinweise bräuchte ich nicht. Als ich aber dann erlebte, wie andere Teilnehmer diese Empfehlungen nutzten, erkannte ich doch den Wert davon.

Dann hat mir noch der Rede-Frosch als spielerisches und herzberührendes Element gut getan, weil der kleine Junge in mir sich darüber gefreut hat.
Auch der Ausklang war für mich sehr schön, über das Singen und auch körperlich miteinander in Kontakt sein. Es war für mich ein wunderschöner, stärkender und bewegender Abend, für den ich allen Beteiligten sehr dankbar bin.

von Kerstin (aktuelle Teilnehmerin)

Wau, was für ein Kreis war das gestern: Wenn Menschen sich zeigen wird es so intensiv, so wirklich. Das, was ist, ist so oft schmerzlich und deshalb schwer auszuhalten. Gleichzeitig beglückt mich ein genau solches Miteinander.
Jedes Mal wieder staune ich darüber, wie komplex es ist, wenn Menschen in Kontakt miteinander treten und sich begegnen und erkennen möchten. Es geht schon damit los, dass ich MIR selbst erst mal „begegne“/mich spüre – dass ich mich damit lasse (annehme) – und wage, „es“ in den Kontakt zu bringen, was ist. Wenn mehrere Menschen das tun, erlebe ich Zeit und Raum schon als ausgefüllt. Oft besteht Einiges an Klärungsbedarf und erwünschter Austausch über das Miteinander, dass es kein weiteres Thema braucht (was wir besprechen oder tun).

Nur reden, was ich spüre – und kein kopfmäßiges über mich erzählen – dazu lädt der Kreis ein. Es entsteht dadurch, dass ich mich spüre und damit ganz da bin und damit spürbar für den/die Andere werde. So entsteht für mich Nähe, Begegnung – ein wahrhaftiger lebendiger Kontakt für den Augenblick. Für mich ein kostbares Geschenk.

Ich habe es bedauert, früher gehen zu müssen und war gleichzeitig stolz darauf an dieser Stelle für mich zu sorgen. Im Zuhörkreis habe ich die Chance zu üben, für mich zu sorgen. Störungen den Vorrang vor Regeln (und sei es die im Kopf) zu geben. Der Kreis bietet einen wunderbaren Raum dafür, weil ich auf die ehrliche Rückmeldung der Anderen zählen kann und so kann ich üben durch die Angst zu gehen (die einsetzt, wenn ich nicht mehr alten Mustern folge). Das Tolle ist ja, dass der Kreis auch dazu explizit einlädt: Folge Deinen Impulsen und durchbreche das Regelwerk, wenn es Dir kein hilfreiches Gerüst mehr in dem Augenblick ist, das Miteinander zu regeln.
Danke für diese Möglichkeit!

von Yvonne R. (ehemalige Teilnehmerin)

Mir gefällt am Zuhörkreis, dass ich immer mit all meinen Gefühlen willkommen bin. Selbst, wenn ich die einzige bin, die unangenehme Gefühle empfindet. Es wird nicht gewertet oder gemaßregelt. Dadurch fühle ich mich freier in meinem Ausdruck. Feedback wird nur auf ausdrücklichen Wunsch gegeben. Das hat mich in anderen Gruppen immer sehr gestresst, zu allem meine Meinung oder Resonanz äußern zu müssen.

Für mich ist der Zuhörkreis heilend, weil wir stets unsere momentbezogenen Emotionen ausdrücken und wir dadurch oft Gemeinsamkeiten und Muster in unserem Erleben erkennen. Zum Beispiel habe ich oft Angst, der Auslöser für eine Störung zu sein und in einen Konflikt zu geraten. Durch den Zuhörkreis habe ich gelernt, dass es allen anderen genauso geht und ich damit nicht allein bin, dass dies aus traumatisierenden Erlebnissen in meiner Kindheit resultiert, dass meine eigentliche Angst Schmerz und Ablehnung betrifft, dass die Äußerung einer Störung nicht Ablehnung bedeutet, sondern ein Beziehungsangebot ist.

Durch das Ausdrücken momentbezogener Gefühle verändern diese sich oft. Indem ich sie ausspreche, verlieren sie an Gewicht. Das ist woanders äußerst selten möglich, weil die meisten Menschen überfordert reagieren, wenn man seine Gefühle schonungslos offen legt. Außerdem erlebe ich in anderen Kontakten meistens hektische Reaktionen im Sinne von „Veränderung herbeizwingen“. Im Zuhörkreis darf alles einfach nur sein. Das empfinde ich als äußerst entspannend. Und erstaunlicherweise geschieht eine Änderung dadurch von ganz allein. Durch das gemeinsame Teilen von Empfindungen, Gefühlen und Erleben entsteht ein geschützter Rahmen mit einer tiefgreifenden Vertrauensbasis. Obwohl ich bisher nur Andreas persönlich kennengelernt habe – die anderen habe ich bisher nur virtuell im Online-Zuhörkreis erlebt – fühlt sich der Kontakt zu allen Teilnehmern sehr vertraut an. Und das innerhalb kürzester Zeit und obwohl es keine Verbindlichkeiten im Sinne von regelmäßiger Teilnahme gibt. Dies ist ein weiterer Punkt, der mir am Zuhörkreis so gut gefällt. Obwohl ich eigentlich großen Wert auf Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit lege, empfinde ich es als sehr befreiend, nicht gezwungenermaßen an jedem Kreis teilnehmen zu müssen und spontan entscheiden zu dürfen.

Ich würde mir wünschen, dass überall so kommuniziert würde, wie im Zuhörkreis. Ich erlebe woanders so häufig Trennung und Unsicherheit auf allen Seiten, was mich unter Stress setzt und mir den Kontakt zu Menschen unangenehm macht. Eine Kommunikation, die auf Verbindung und So-sein-dürfen basiert, würde so viele Probleme in der Zwischenmenschlichkeit und der Gesellschaft lösen.

[Nachtrag nach ihrem Ausstieg:]

Ich glaube, ich spreche einfach lieber ungezwungen mit meinen Freunden, die sich auch mit psychischen Themen auskennen und mich deshalb verstehen. Mir fehlte zunehmend die Resonanz in der Gruppe, und ich wollte auch nicht immer danach fragen. Dann waren immer wieder Fremde dabei, von denen ich nicht mal weiß, wie sie aussehen. [Anmerkung: da gibt es ein Veto-Recht, um bestimmte Zuhörkreis-Termine auch frei von Neuzugängen zu halten.] Das macht ein Einschätzen der Person für mich so schwer. Ich bin aber auch grundsätzlich nicht der Typ für Gruppen. Ich versuche es immer wieder, aber halte nicht lange durch. In der Dynamik der Gruppe [des geschlossenen Zuhörkreises] konnte ich mich zwar trotzdem öffnen, aber irgendwie brauche ich dann doch das Vertrauen zu langjährigen Freunden, die mich kennen und mit denen ich Dinge gemeinsam erlebt habe.

von Lucia (ehemalige Teilnehmerin)

Der folgende Text ist Teil einer Zusammenstellung verschiedener Zuhör-Gruppenformate:

Der einfühlsame Zuhörkreis ist eine geschlossene Gruppe, der man über einen schriftlichen und mündlichen Annäherungsprozess beitreten kann. Es ist ein geschützter Raum deshalb versuchen die Organisatoren vorher auszuloten, ob neue Teilnehmer zur Idee der Gruppe und Methode passen, um so den geschützten Raum auch mit Neuzugängen weiter garantieren zu können. Das Zuhören steht auch hier im Vordergrund. Jeder kriegt einen Zeitraum von 5-10 Minuten in welchem er/sie sich mitteilen darf in aller Ehrlichkeit, mit dem was in diesem Moment für ihn/sie da ist. Auch schweigen ist ok. Es ist Me-time. Was ich interessant finde ist, dass die Gruppe ein System entwickelt hat, um mit Störungen umzugehen. Grundsätzlich spricht jeder für sich und ist kein Raum für Feedback vorgesehen. [Anmerkung von Andreas: 1.) Das System nennen wir „Einfühlsam Klarheit„. 2.) Du darfst allerdings auch um Feedback bitten, wenn Du das willst.] Falls aber etwas, was ein anderer tut oder sagt, etwas bei mir triggert, mich stört, muss ich das nicht für mich behalten, sondern kann es ausdrücken. Das finde ich einen besonderen Zusatz, weil die anderen Formate, die ich kenne, echt auf Harmonie gründen. Aber in der Realität ist halt nicht immer Harmonie und ich weiß bei mir selbst, dass ich Dinge die stören könnten, andere beleidigen könnten, usw. schon im Vorhinein herausfiltere. Aber das ist dann eigentlich auch wieder nicht 100%ig ehrlich.

Ich habe erst 2x (1x Probekreis, 1x richtiger Kreis) mitgemacht, deshalb kann ich noch nicht gut beurteilen, was dieses Format für mich bedeutet. Was mir beim ersten Mal aufgefallen ist, ist, dass es mir manchmal schwer fällt so völlig ins nichts hinein zu sprechen. Mir fällt es wohl leichter durch was Kreatives oder ne Frage getriggert zu werden. Und mir ist auch aufgefallen, dass der geschützte Raum bedeutet, dass es ein relativ kleiner Kreis ist, wo sich Leute sehr gut kennen, wodurch ich mich als Neuzugang ein kleines bisschen deplatziert fühlte (wie als Beobachter einem Gespräch zwischen Freunden lauschen). Aber das sind wie gesagt Eindrücke, die auf sehr wenig Erfahrung basieren.

von Alex (aktuelle Teilnehmerin)

Vorwort: Die Gesprächskreise von Lebwendig
im Unterschied zu alltäglichen Gesprächen

Ich habe festgestellt, dass ich mich in alltäglichen Gesprächen für mich entschuldige, mich verstecke, mich schäme, mich anders fühle und insgesamt abgespaltener von den Mitmenschen fühle.

Oft endet ein Gespräch auch in einem Chaos der gegenseitigen Gefühle. Der Gesprächspartner oder ich geben Ratschläge. Meist entstehen durch Rückfragen, Lob, Tadel oder (gut gemeintem) Trost quälende Fragen, wie:

  • War das für den Anderen zu viel?
  • Konnte der Andere mich verstehen?
  • Habe ich etwas falsch gemacht?
  • Warum werde ich (nicht) verstanden?
  • Wie muss ich mich erklären, damit ich verstanden werde?
  • Bin ich verkehrt?

Vieles verbiete ich mir selbst zu sagen. Und wenn ich es mal nicht tue, dauert es nicht lange, bis es der Gesprächspartner tut. Meist passiert das aus Gewohnheit und aus gutem Willen, z. B. zum Trost („Mach Dir doch nicht so einen Kopf“). Dann fühle ich mich noch ausgestoßener, unpassender, einsamer, als ich es vorher war.

Das ist bei den Lebwendig-Gesprächskreisen anders.

Der Fühlraum

In ihm gibt es für jeden Anwesenden eine Zeit, die nur für seine eigenen Bedürfnisse genutzt werden kann:

  • Wie geht es mir gerade?
  • Was fühle ich?
  • Macht sich das im Körper bemerkbar?
  • Was möchte da gerade gesagt werden?

Dadurch komme ich in Kontakt zu mir selbst.

Die Rolle der nicht-sprechenden Teilnehmer ist dann das aktive, empathische Zuhören. Die Aufmerksamkeit liegt völlig auf dem Sprechenden. Alleine durch diese Haltung, dass die Gruppe mich still und bejahend annimmt, fühle ich mich getragen. Meine Stimmung darf da sein, ich darf ganz ich sein. Es gibt Raum für das Da-Sein und So-Sein. Es gibt Raum für mich.

Diese „tiefe“ Annahme ist jetzt am Anfang noch sehr ungewohnt für mich. Durch konditionierte, meist beschämende, verurteilende und beschränkende Glaubenssätze fühle ich mich immer noch schlecht. Aber diese Urteile über mich werden im Fühlraum höchstens von mir in den Raum getragen. Die Annahme der Gruppe wirft mich auf mich selbst zurück. Die Teilnehmer greifen nicht ein. Sie sind da und hören zu. Sie (er)tragen mich mit meinem Da-Sein. Manchmal kann ich dadurch schon selbst entscheiden, ob ich weitere Beschuldigungen im Inneren gegen mich mache, oder ob ich es (auch) nicht (mehr) tue. Dadurch, dass ich Akzeptanz widergespiegelt bekomme, kann ich mich selbst besser akzeptieren. Das ist sehr wohltuend für meine Seele. Ich fühle mich angenommen und verbunden.

Durch die Rolle als empathischer Zuhörer schärft sich mein Verständnis für das geduldige und einfühlsame Zuhören.

Der einfühlsame Zuhörkreis

Im Grunde ist er dem Fühlraum sehr ähnlich. Es gibt jedoch die Möglichkeit, direkte Rückfragen der Gesprächsteilnehmer zu erhalten oder zu erfragen. Durch ich-bezogene Rückmeldungen wird dabei ein wertschätzender und offener Austausch ermöglicht. Neue Perspektiven können in Betracht gezogen werden. Annahmen werden hinterfragt.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass bei beiden Gruppen Wert darauf gelegt wird, dass die Eigenverantwortung der Teilnehmer unterstützt wird. Niemand muss sprechen, niemand muss zuhören.

Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Angebote nutzen darf. Sie stärken mich und damit auch mein Umfeld. Denn ich frage mich jetzt auch öfter in meinen alltäglichen Gesprächen:

  • Möchte derjenige, dass ich zuhöre?
  • Möchte er eine wertschätzende Rückmeldung?
  • Oder soll/darf ich meine eigene Erfahrung oder Meinung schildern?
  • Und was möchte ich eigentlich selbst, wenn ich ein Gespräch suche?

Ich glaube, dass sich mit den Gesprächskreisen echter und achtsamer Austausch zwischen Menschen etablieren kann. Ich freue mich sehr, dass so ein offener Austausch möglich ist.

von Andreas (aktueller Teilnehmer)

Vorwort = Zusammenfassung: Mein Erleben des Zuhörkreises

Es ist für mich immer wieder fast wie ein Wunder, was im Verlauf des Abends in mir geschieht. Oft komme ich mit viel Missmut, Ängsten und Unsicherheiten in die Gruppe; mit Gedanken wie diesen: „Was mache ich hier eigentlich?! Es hat doch eh keinen Sinn, die Welt ist grausam, keiner mag mich, wie ich wirklich bin, und jeder schaut vornehmlich nach sich.“

All das darf im Einfühlsamen Zuhörkreis da sein. Ich muss es nicht verstecken, um angenommen zu sein. Es ist genauso herzlich willkommen wie die Freude über eine herzliche Begegnung oder meine Trauer über Kriege.

Anfangs misstraue ich meist dieser Annahme. Nach und nach merke ich, wie ich im achtsamen Raum des sich wirklich gegenseitig Zuhören-Wollens innerlich entspanne. Meine vor ein paar Stunden noch so bedrückenden Gedanken sind wie weggeblasen. Ich kann sie nicht mehr finden. Stattdessen ist eine Gelassenheit und Ruhe in mir, die ich fast unheimlich finde, weil so ungewohnt. Und dabei haben wir nicht zu Gunsten eines harmonischen Gruppen-Wir-Gefühls alle Andersartigkeit schnell nivelliert. Ganz im Gegenteil, ich habe mich getraut zu zeigen, was mich am anderen stört, weil ich etwas Bestimmtes brauche.

Und wir sind alle nicht perfekt darin. Das braucht es auch gar nicht. Es reicht, dass wir uns alle nach Verbindung sehnen, den anderen ganz verstehen wollen und die Verantwortung für unsere Gefühle und Bedürfnisse alleine tragen wollen. Fülle entsteht dadurch, dass wirklich alles da sein darf und gehört wird.

Ich brauche die Gewissheit, dass meine inneren Unsicherheiten und meine Lebendigkeit willkommen sind bzw. dass wir authentische und Verbindung stiftende Methoden haben, wenn mein So-Sein beim anderen wiederum Unwohlsein auslöst. Ansonsten kann ich nicht ausgelassen, spontan, traurig, unsicher oder anders sein. Ich kann dann nicht echt sein und werde mich nie ganz zeigen.

Unsichere Leitung – geht denn das? Oder wie unsicher darf ich sein?!

Oft spüre ich vor dem Gruppenabend eine starke Abwehr in mir oder zumindest eine Leer oder starke Verunsicherung: „Das bringt doch nichts. Nur tote Zeit.“ und dahinter steckt meine Angst „die mögen mich bestimmt nicht, wie ich wirklich bin, wenn ich mich ganz zeige!“

Darf das denn sein? Sollte ich als Hauptleitung oder Initiator dieses Zuhörkreis nicht Vorbild sein bzgl. Echtheit? Sollte ich nicht in besonderer Weise davon überzeugt sein, dass unser Zuhörkreis eine tolle, lohnenswerte Sache ist?

Lange habe ich gedacht mit meiner Unsicherheit kann ich keine eigene Gruppe ins Leben rufen. In unserer Kultur wird meistens von einer Leitung erwartet, dass sie ganz von ihrem Angebot überzeugt ist und eine gewisse Sicherheit ausstrahlt, damit sich die Teilnehmer auch sicher fühlen können und überhaupt Vertrauen entwickeln können in das, was wir vorhaben. In meiner langjährigen Zeit als Dozent habe ich gelernt mein Gefühle zu verstecken und souverän zu wirken. Doch genau das, will ich im Zuhörkreis nicht.

Heute denke ich, es ist auch eine Chance, dass ich oft so viel Unsicherheit zeige. Dies ist eine Einladung an die anderen auch nichts zu verstecken und es kommt weniger leicht der Gedanke auf „Die Leitung weiß Bescheid, die hat es geschafft und wir Teilnehmer müssen noch dazu lernen“. So begegnen wir uns wirklich auf Augenhöhe als Leiter unter Leitern oder auch Unperfekte unter Unperfekten.

Zwei persönliche Beispielsituationen aus dem Einfühlsamen Zuhörkreis

In den folgenden Abschnitten schildere ich bewusst meine beiden Ausnahmesituationen der ersten 3 Jahre, um Dir zu zeigen, was in unserer Gruppe alles möglich ist. Normalerweise treten Emotionen auch in unserem Zuhörkreis nicht so deutlich und außer der Reihe zu Tage. Doch gerade in diesen Extremfällen sehe ich, was mir den Zuhörkreis so wertvoll macht.

Frust und Enttäuschung – Oder wie lasse ich den anderen ganz frei ohne etwas von mir zu verstecken?

Mit viel Unsicherheit sah ich dem heutigen Abend entgegen. Einerseits freute ich mich, dass sich für heute Neue angesagt hatten, weil mich schon länger die Angst plagt, dass ich eines abends nur noch zu zweit dasitze oder die Gruppe ganz ausstirbt. Andererseits hatte ich Angst vor den Neuen: Werde ich mich mit ihnen auch so angenommen und geborgen fühlen? Traue ich mich auch vor ihnen, mich ganz offen zu zeigen? Und wie so oft kam’s dann ganz anders als ich dachte.

Nur zwei mir wohl Bekannte fanden sich ein und waren gleich in einem pausenlosen Dialog über dies und das im Gespräch. Für sie war ihre Unterhaltung äußerst angenehm, nur mir waren es zu viele Worte und meine Unsicherheit wuchs, wie dieser Abend wohl verlaufen würden: Kamen die Neuen noch? Sollten wir vielleicht mal anrufen? Oder anfangen? Ich gab mir einen Ruck und weihte die beiden im Gespräch Vertieften in meine Unsicherheit ein und per Handy erfuhren wir, dass die beiden Neuen heute wohl doch nicht kommen würden.

In mir zerbrach urplötzlich all meine große Hoffnung auf Gruppenverstärkung und die heimliche noch größere Hoffnung darunter einen Menschen zu finden, der Zeit hat mit mir die Lebwendig-Initiative voranzutreiben. Zaghaft drückte ich meine Enttäuschung und meinen Ärger über meine unnötige Aufregung aus, allerdings in gewohnter Form als Vorwurf: „Toll, so erfahren wir so neben bei, dass die in England sind. Das wissen die doch auch nicht erst seit heute. Wieso haben die denn nicht Bescheid gegeben?!“. Und bekam als typische probte Reaktion eine Verteidigung entgegen gebracht: „Freiheit ist uns doch so wichtig. Demnach mussten die doch nicht absagen!“ Romy ist diese Freiheit nämlich sehr wichtig für sich und alle anderen. Stefan versuchte etwas zu neutralisieren: „Ich finde es auch schön mit Euch zu dritt. Dann können wir wenigstens nun anfangen.“

Wie paralysiert macht ich die Erdungsübungen mit, doch an Erdung war für mich nicht zu denken, ich war völlig innerlich aufgewühlt. Nach der ersten Übungen war die beiden schnell wieder in einem Dialog darüber, was wir als nächstes machen wollen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und als Zeichen für die anderen, dass ich ein Anliegen haben, ergriff ich den Frosch. „Ich bin noch völlig in meinen Emotionen gefangen und kann mich so gar nicht auf die Runde einlassen …“ eröffnete ich die außerplanmäßig Befindlichkeitsrunde. Es folgten einige Runden, wo jeder erzählte, was ihm in diesem Zusammenhang wichtig war und wir verstanden immer mehr, was beim anderen los war. Am Ende fühlte ich mich auch wieder verstanden und konnte loslassen von meinem Ärger und meiner Enttäuschung und mich wieder auf den jetzigen Abend einlassen.

Mich ganz zumuten – Oder darf ich Schwermut offen zeigen?

„Wieso ausgerechnet heute, ausgerechnet jetzt?!“ Ich sitze auf meinen Sofa und in mir toben Verzweiflung und Groll über die Welt, wie ich sie derzeit erlebe. Aber ich muss mich doch irgendwie zusammenreißen, jeden Moment kann der Erste unseres Zuhörkreises klingeln. Muss ich? Normalerweise würde ich bei dieser Stimmung jeder Gruppe fern bleiben, doch der Zuhörkreis findet bei uns statt. (Auch Yvonne, meine Partnerin, ist ohnmächtig, was zu tun.) Die Türklingel unterbricht meinen Gedankenstrudel. Heitere Unterhaltung kommt Schritt für Schritt die Treppe hinauf. Dann plötzlich Totenruhe. Jan und Stefan bleiben wie angewurzelt stehen. Vor ihnen der Staubsauger quer im Wohnzimmer liegend und dahinter ich zusammen gekauert auf dem Sofa. Ich finde als erster die Sprache wieder: „Ich klinke mich erst mal aus. Fangt bitte ohne mich an.“ Ich bin heil froh wieder handlungsfähig zu sein und ziehe mich ins Nebenzimmer zurück. Dort kümmere ich mich selbstempathisch um mich (mein verletztes inneres Kind) und setze mir sogar zunächst meinen Gehörschutz auf, um ganz bei mir sein zu können. Dann höre ich wie sie drüben mit den Ankommensübungen beginnen. Irgendwie fühle ich mich doch dazu gehörend. Gleichzeitig kann ich ganz bei mir sein, bei dem, was da in mir tobt. Als die letzten Töne ihres Gesangs verklungen sind, fühlt sich mein Inneres schon wieder ganz von mir angenommen. Yvonne tritt ein und fragt, ob ich zur Befindlichkeitsrunde dazukommen möchte. Ich schaue etwas bange in die Runde „Was denken die wohl jetzt von mir?!“ Dann ergreife ich den Frosch und eröffne eine Feedbackrunde mit der Frage: „Wie ist es Dir ergangen, als Du mich auf dem Sofa sitzen sahst?“ Das rein ich-bezogene Feedback der anderen wie beispielsweise „Ich war kurz erschrocken und wollte schon die Wohnung verlassen. Dann erleichtert über Deine klare Ansage und damit konnte ich dann auch gut loslassen.“ gibt mir auch bald wieder das sichere Gefühl, auch mit dieser Zumutung von allen angenommen zu sein. Am Ende bin ich froh, dass ich mich mit meiner schwermütigen Stimmung offen gezeigt habe. So habe ich gelernt, dass ich auch so angenommen werden kann.

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